Rollstuhl fahren trainieren mit Gedanken
Dass die bloße Vorstellung von einer Bewegung zu minimalen Muskelimpulsen führt, ist schon von William Carpenter (1813-1885) erkannt worden.
Der Beweis:
Wenn Sie sich vorstellen, dass ein Pendel, das Sie ruhig an einer Schnur halten, nach rechts Schwingen soll, so wird es das nach kurzer Zeit tun. Da sie die Hand nicht bewusst bewegten, kann es nur ihre Vorstellung sein, die die Muskeln aktivierte, um das Pendel in Bewegung setzen.
Unsere wiederholten Beobachtungen mit unterschiedlichen Personen und Behinderungen bestätigen dieses Phänomen:
Beim ersten Rollstuhlfahrversuch war das Testergebnis aufgrund der vorhandenen Bewegungsstörung nicht befriedigend. Der Behinderte war schon nach kurzem Test müde von der Anstrengung. Die Erwartungshaltung an ihn war, wie wir immer wieder beobachten, von allen Seiten zu hoch. Nach einer Pause von ein paar Stunden oder bis zum nächsten Tag sah das dann schon ganz anders aus. Das Fahrtestergebnis war von Anbeginn an viel besser. Dieser plötzliche Fortschritt schien uns Begleitern und Therapeuten lange unerklärlich zu sein.
Der oben erwähnte Pendeltest verrät uns den Grund:
Das Rollstuhlfahren ist für den Behinderten ein großer Wunsch (Ziel). Deshalb beschäftigt er sich in der Ruhezeit damit. Er lässt es in Gedanken nachwirken und verarbeitet dabei das Erlebte. Wie bei dem Carpenter-Effekt werden die Muskeln dabei minimal angesteuert. Der erlebte Bewegungsablauf beim Fahren wird im Unterbewusstsein wiederholt (geübt!) und hat somit die Chance, dauerhaft gespeichert zu werden.
Bei diesem gedanklichen Nachempfinden kommt noch ein nicht zu vernachlässigender wichtiger Faktor hinzu. Das Fahren wird in der gedanklichen Vorstellung ohne Stress geübt, ohne Zwang (bitte fahre nach rechts durch die Tür!), ohne Erwartungsdruck und ohne räumliche Begrenzung.
Das wichtigste dabei, es wird ohne die Bewegungsstörung geübt!
Die Wirkung ist hier eine ähnliche wie bei unserem Trend-ISS.
Denn die Emotionen sind heruntergefahren, und das Ergebnis /Ziel wird sicher erreicht und kann dauerhaft gefestigt / gelernt / gespeichert werden.
Voraussetzung für die Wirksamkeit dieses ‘Ideomotorischen = mentalen Trainings’ (dieses Lernens von Bewegungsabläufen im Unterbewusstsein) ist allerdings ein vorausgehender realistischer Rollstuhlfahrversuch. Ohne das mindestens einmalige bewusste Erleben des gewünschten zielgerichteten Bewegungsablaufs fehlt der Vorstellung die Ausrichtung. Der Stress wird auch dadurch vermindert, dass die physische Bewegungsstörung im Rahmen gedanklicher Vorstellungen keine vordergründige Rolle spielt, so dass auch aus diesem Grund der neu zu erlernende Bewegungsablauf leichter gelernt/gespeichert werden kann (dieser Zusammenhang sollte einmal in einer wissenschaftlichen Studie untersucht werden). Grundsätzlich ist bei alledem natürlich zu bedenken, dass Erfolge immer auch von der Art der Bewegungsstörung abhängig sind! Wenn keine Muskeln zur Bewegung der Gelenke mehr vorhanden sind oder nicht mehr angesteuert (innerviert) werden können, so ist die Bewegung nicht nur gestört, sondern gänzlich unmöglich.