Tinas Erfahrungsbericht über Ihre Ataxie

Ataxie das bedeutet sehr vereinfacht, dass der Körper nicht umsetzen kann, was der Geist befiehlt, weil die Befehle verspätet oder gar nicht ankommen.

Ich lebe seit 9 Jahren mit einer Ataxie. Sie ist bei mir also nicht genetisch bedingt und ich weiß, wie sich ein Leben ohne Ataxie anfühlt. Naja – zumindest habe ich eine vage Erinnerung daran …

Vor 9 ½ Jahren wurde bei mir eine akute myeloische Leukämie diagnostiziert und da mein Körper schon im Vorfeld einige Hochdosis-Chemotherapien durchmachen musste, war diese wohl die eine zu viel. Ich lebe noch (was durchaus als medizinisches Wunder angesehen werden darf!) – aber eben mit Ataxie! Sie sollte reversibel sein, hat sich dann aber dank der Umstände der noch folgenden Stammzelltransplantation und sehr zu meinem Leidwesen manifestiert.

Ataxie, das fühlt sich an, als habe sich ein wildes Tier des Körpers bemächtigt und vollkommen die Kontrolle übernommen. Man weiß nie, was es als nächstes mit einem macht. Sie ist wie ein Damoklesschwert (das jedoch von Zeit zu Zeit runterfällt, und bei dem man nie weiß, wann und was es dann anrichtet). Es lässt sich kaum zähmen und da, wo es doch mal gelingt, ist jeder noch so kleine Fortschritt ein großer Sieg.

Da ich beim Stehen und Gehen das Gleichgewicht nicht mehr halten kann, sitze ich seitdem im Rollstuhl – zunächst dachte ich, dass ich mein Gleichgewicht ja wohl so oder so wieder-finden würde (– es muss ja irgendwo sein!). Aber es hat sich wohl äußerst gut versteckt, denn gefunden habe ich es bis heute nicht!

Auch das Sprechen (nicht die Sprache! Sondern der Vorgang des Sprechens!) ist beeinträchtigt. Zu Beginn war meine Stimme sehr kratzig, da ich den unbewussten Vorgang des Sprechens erst wieder neu erlernen musste. Ich hab die Worte einfach nur rausgepresst, weil ich noch nicht wusste, was der Körper unbewusst beim Sprechen tut – wie man Sprechdruck (normalerweise unbewusst) erzeugt. Logopäden wissen, wovon ich spreche und jeder kann ihn fühlen, wenn er oder sie beim Sprechen die Hand auf den Bauch legt und spürt, wie er sich bewegt. Da das bei mir nach wie vor ein bewusster Vorgang ist, ist Sprechen immer noch sehr anstrengend und meine Stimme sehr leise – zu leise, um eine Geräuschkulisse irgendwie zu übertönen …

Es war einer von vielen unbewussten Prozessen, die ich bewusst neu erlernen musste. Aber bewusst Erlerntes ist schwer in unbewusste Handlungen umzuwandeln und unser Bewusstsein – und ganz besonders das von vielen Ataktikern – kann an Schnelligkeit nicht mit unbewussten Handlungen mithalten – das ist dann so, als ob jemand auf der Leitung stünde.


Emotions Reflex

Also ich will´s mal an einem Beispiel verdeutlichen. Normalerweise sieht man, dass man bremsen muss und bremst – Punkt! Das war´s! So einfach! Bei mir läuft derselbe Vorgang in einem normalen Elektrorollstuhl aber so ab: Da ist ein Hindernis, du müsstest also bremsen – Was muss ich denn tun, um zu bremsen? – Da musst du die Steuerung loslassen! – Ja, dann tu ich das doch mal … ja, und dann braucht mein Körper auch noch geraume Zeit, um diesen Befehl in eine Aktion umzusetzen. Na, und bis dahin ist der Zusammenprall schon längst geschehen … So ist das bei mir: entweder sind meine Reflexe total verkümmert oder so stark, dass mein Körper sie kaum verarbeiten kann.

Ich kann von meinem Wohnzimmer aus sehen, wenn jemand kommt und weiß oft im Voraus, dass der oder diejenige gleich schellen wird, was meinen Körper nicht daran hindert sich dann so heftig zu erschrecken, dass ich zusammenzucke – obwohl ich ja weiß, dass es gleich schellen wird. Ich erschrecke mich also, obwohl ich mich darauf einstelle. Wenn ich mich aber nicht darauf einstellen kann, ist die körperliche Reaktion oft so heftig, dass ich mich fast aus dem Rollstuhl katapultiere … Das sind Reflexe, die sich dann extrem heftig ihren Weg bahnen, die ich aber nicht beeinflussen kann, und deren körperliche Auswirkung in keinem Verhältnis zur auslösenden Ursache steht.

Jedes Gefühl, vor allem aber negative Gefühle, wie zum Beispiel Stress, Angst oder auch Nervosität, wirkt sich auf Bewegungen aus. Und es ist oft ganz schwierig Ruhe zu bewahren, wenn körperliche Bedürfnisse drängen und der Druck „Ich muss schnell machen“ entsteht. Wenn ich dringend zur Toilette muss, zum Beispiel! Denn jede Form von Hektik ist ein absolutes No Go! Bei Spielen z. B., bei denen es auf Schnelligkeit ankommt, können wir mit „Normalos“ nicht mithalten. (Was oft genug frustrierend ist: immer der oder die Letzte, im-mer der Looser zu sein und nichts daran ändern zu können! Denn hier kommt ja auch wieder das Gefühl „Ich muss mich beeilen“ hinzu!) Alles, was wir versuchen, mal eben schnell zu erledigen, geht in die Hose. Da, wo wir das Gefühl haben, etwas noch eben schnell erledigen zu müssen, müssen wir betont langsam agieren und versuchen, das Gefühl des Drucks abzuschütteln!

Viele Gefühle drücken sich bei mir unweigerlich körperlich aus: auf Lustiges reagiere ich mit nicht enden wollenden Lachkrämpfen und wenn mir (nach Stunden, Tagen oder Wochen) etwas Lustiges plötzlich wieder einfällt, pruste ich unvermittelt los – was sehr peinlich sein kann. Auf Stress und Hilflosigkeit reagiere ich mit Tränen – ich habe schon ganze Nachmittage wegen Nichtigkeiten geweint.

Ja, und das Bewusstsein – und ganz besonders das eines Ataktikers – ist auch nicht gerade multitaskingfähig und wenn ich mich nicht genau auf die eine Sache konzentriere, die ich gerade tue, fabriziere ich Müll. Dann fallen mir Tabletten auf den Boden, statt in meiner Tablettenbox zu landen, dann fahre ich mit meinem Rollstuhl irgendwo vor etc. Dieses Phänomen kennt eigentlich jeder noch aus seiner Fahrschulzeit: Wenn wir lernen Auto zu fahren, müssen wir viele Dinge gleichzeitig tun. Am Anfang ist das schwer, denn wir müssen jeden Handgriff bewusst tun. Mit der Zeit automatisieren sich all diese Dinge und wir müssen gar nicht mehr darüber nachdenken, was wir tun müssen, wenn wir z.B. abbiegen wollen. Das Autofahren ist uns in Fleisch und Blut übergegangen oder besser gesagt: Unser Unterbewusstsein steuert nun viele unserer Handgriffe automatisch, während wir uns auf andere Dinge konzentrieren können. Und da, wo das Unterbewusstsein – wie bei Ataktikern – nicht mehr (richtig) funktioniert, ist man nicht mehr in der Lage zwei Dinge gleichzeitig zu tun …

Und da wir auch in der Beweglichkeit eingeschränkt sind, die Bewegungen nicht zielgerichtet und punktgenau ausgeführt werden können, verlangt uns Eile extreme Konzentration und Langsamkeit ab, um zumindest möglichst zielgenaue Bewegungen zu ermöglichen. Die Beweglichkeit ist aus dem Grunde so eingeschränkt, weil das Kleinhirn, das ja eigentlich der Sitz von Koordination und Motorik ist, diese Rolle nur noch sehr eingeschränkt übernimmt. (Bei allen nicht-hereditären Ataktikern: Man weiß erst, was das Kleinhirn alles für einen getan hat, wenn es nicht mehr richtig funktioniert!) Eine meiner Therapeutinnen hat es mir so erklärt: Das Kleinhirn steuert z. B. die Hand beim Zufassen, indem es ihr sagt: etwas höher – mehr nach rechts – jetzt wieder etwas mehr nach unten – usw. … Heute ersetzt der Sichtkontakt, was das Kleinhirn früher schneller und besser machte.

Was der Sichtkontakt nicht übernehmen kann, ist das Gefühl dafür, wie viel Druck man braucht, um beispielsweise ein Glas zu greifen, festzuhalten und später, wie weit man es kippen muss, um zu trinken. Es gibt es auch nichts, was diese Funktion übernehmen könnte, also ist jede Handlung, die dieses Gefühl benötigt, dazu angetan in der einen oder anderen Art zu missglücken.

Dazu kommt, dass die Ataxie bei mir ein beständiges Zittern des Körpers, überschießende (weil die Ansteuerung der Extremitäten nicht oder verzögert erfolgt) und unkontrollierbare Bewegungen, sowie eine große Kraftlosigkeit (da wird jede noch so leichte Steigung zum unüberwindbaren Hindernis) verursacht. Die Hände können nicht mehr koordiniert werden und Handlungen, bei denen beide Hände vonnöten wären, gehen meist schief, weil das Gehirn beim Zusammenspiel beider Hände völlig überfordert aussteigt.

Mit einem Ataktiker umzugehen ist für Angehörige und Pflegekräfte nicht einfach. Vor allem aber nicht für Angehörige. Immer wieder gibt es Ratschläge wohlmeinender Menschen, die sich die weitreichenden Einschränkungen eines an Ataxie leidenden Menschen nicht vorstellen können und ihre guten Ratschläge aus diesem Grund nicht zu Ende denken. Menschen, die z. B. meine Behinderung einer Querschnittslähmung gleichsetzen und meine Angehörigen stets damit verärgern, dass sie mehr erwarten, als ich aufgrund der Ataxie leisten kann.

Es ist sehr schwierig – aber nicht unmöglich – bei dieser Art der Behinderung adäquate Hilfsmittel zu finden. Manchmal braucht man einfach einen gewissen Erfindungsreichtum. Und nicht immer sind es die Hilfsmittel aus dem Sanitätshaus. Ich kann mir z. B. mithilfe vonpoolnudel scheiben tinas hilfsmittel fuer augentropfen bei ataxie Poolnudelscheiben, in die ich Löcher für meine Augentropfen mache, selbst Augentropfen verabreichen. Oder ich habe mir sogenannte „Göffel“ zum Essen besorgt, weil von der Gabel immer alles runterfiel. Es ist nur wichtig, sich zu fragen: Was fehlt? Warum ist etwas schwierig? Und wie oder womit kann man die Situation verbessern? Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Hauptsache man kann hinterher wieder etwas selbstständig! Aber nehmen wir z. B. eine Greifzange aus dem Sanitätshaus: Obwohl absolut unabdingbar, goeffel tinas hilfsmittel bei ataxiepotenziert sie den Mangel an Koordination und ist daher für Ataktiker schwer zu handhaben. Da sich das Zittern und die unkontrollierbaren Bewegungen der Hand auf die Greifzange übertragen und sich der Ausschlag über die Länge potenziert, ist der Ausschlag am anderen Ende der Greifzange umso größer. Ich habe jetzt eine kurze Greifzange, mit der ich aufgrund der Länge besser zurechtkomme. Also auch hier sind Verbesserungen möglich. Aber manchmal reicht die Länge nicht und ich brauche doch eine längere. Mit manchen Einschränkungen – aber eben nicht mit allen – muss man sich eben abfinden.

Insgesamt bedeutet Ataxie einen sehr fordernden Zustand sowohl für den Ataktiker selbst als auch für sein Umfeld. Immer bedeutet sie für alle Beteiligten eine große Einschränkung. Und bei allen Aktivitäten sehr viel Planung – ohne geht nichts! Und doch, bedeutet jede Form der Selbstständigkeit, die man mir ermöglicht, für mich die Welt! Ich habe mein Leben mithilfe meiner Familie so einrichten können, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben führen kann. Und ohne die tägliche Hilfe und Unter-stützung meiner Familie wäre das nicht möglich. Sie ermöglicht es mir z. B., jeden Tag mit Ihrer Hilfe in meiner Wohnung wohnen zu können, statt z. B. in ein Betreutes Wohnen oder ein Heim zu müssen. Dabei ist mir auch bewusst, dass die Ausprägung der Ataxie bedeutend schlimmer hätte ausfallen können, aber wie auch immer: man sollte einfach immer alles aus sich und der aktuellen Lebenssituation rausholen was möglich ist…

:mrgreen: Tina (Ataxie) Fahrerfahrung mit der Wergen-Steuerung

Wergen-Steuerung zähmt Ataxie!

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